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Aus: Missionsschwestern von der unbefleckten Empfängnis der Mutter Gottes / 6-2013

„Ich brauche einen langen Atem“

Eine hoffnungsvolle Zwischenbilanz seiner knapp vierjährigen Amtszeit als Bischof der nordbrasilianischen Diözese Óbidos und eine begeistertes Fazit des Weltjugendtages kann der Franziskaner Bernardo Johannes Bahlmann (53) im kontinente-Interview ziehen.

Hat der Weltjugendtag (WJT) in Rio Ihre Hoffnungen und Erwartungen erfüllt?

Der WJT war ein außergewöhnliches Großereignis für die Jugendlichen in Brasilien und der ganzen Welt. Unsere Erwartungen sind sogar übertroffen worden. Der Funke der Freude
und Begeisterung ist über die Medien auf ganz Brasilien übergesprungen. Wesentlich dazu beigetragen hatten auch die Tage der Begegnung im Vorfeld des WJT, an denen junge Menschen aus aller Welt in fast allen 274 Diözesen Brasiliens zu Gast waren. Wir hier in der Diözese Óbidos hatten Gruppen aus vier Kontinenten zu Besuch, die wir über unsere Pfarreien verteilt hatten. Es waren wunderbare Tage, in denen wir uns als weltweite Glaubensgemeinschaft
erleben konnten.

Welche Rolle hat dabei Papst Franziskus gespielt?

Er hat die Hauptrolle gespielt. Brasilien hatte das große Glück, dass wir den ersten Papst aus Lateinamerika bei seiner ersten Auslandreise zu Gast haben durften. Der Heilige Vater hat durch seine einfachen menschlichen Gesten dazu beigetragen, dass dieser WJT zu etwas Außergewöhnlichem wurde. Er hat den Teilnehmern immer wieder das Gefühl gegeben: „Ich bin euch nahe.“ Gerade durch diese Akzentsetzung der Einfachheit oder durch diesen franziskanischen Stil – obwohl er ja Jesuit ist – hat er eine gewaltige Welle der Begeisterung ausgelöst.

Hat der WJT auch Auswirkungen auf Ihre Diözese im Norden Brasiliens?

Ja, zum einen durch die Tage der Begegnung. Zum anderen überlegen wir jetzt, wie wir den Geist des WJT in der Diözese von Óbidos und in der Partnerdiözese von Würzburg aufrecht - erhalten können. Eine Möglichkeit wäre, in jedem Jahr ein Jugendcamp zu veranstalten, dass den Austausch zwischen den beiden Diözesen dauerhaft und vor allem für junge Menschen fördert. Dies könnte auch ein wertvoller Beitrag für die Glaubenserneuerung innerhalb der Kirche, der Pfarreien und der Jugendgruppen sein.

Sie kennen die Verhältnisse in Brasilien wie in Deutschland gut: Wodurch unterscheiden sich die Perspektiven für junge Menschen in diesen beiden Ländern vor allem?

Um eine Ausbildung machen zu können, müssen die Jugendlichen in der Regel in die Städte ziehen, wo sie auf sich selbst gestellt sind. Um ein Studium finanzieren zu können, müssen sie Geld verdienen, worunter oft dann wieder das Studium leidet. Die Ausbildungschancen sind also nicht mit den Verhältnissen in Deutschland vergleichbar. Es ist auch nicht einfach, nach dem Studium einen guten Arbeitsplatz zu bekommen. Wir haben gerade in unserer Region eine sehr hohe Zahl an Arbeitslosen. Viele sind gezwungen, sich als Tagelöhner durchzuschlagen. Die Perspektiven für die Jugendlichen unterscheiden sich daher sehr zu denen in Deutschland. Wir haben deshalb auch verschiedene Projekte gestartet, die Jugendlichen zu unterstützen.

Zu uns dringen Nachrichten über Unruhen im Vorfeld der Fußball-Weltmeisterschaft und der Olympiade. Halten Sie die Anliegen der Demonstranten für berechtigt?

Die halte ich auf alle Fälle für berechtigt. Diese Unruhen sind vor allem eine Kritik an der Korruption im Zusammenhang mit dem Bau der Sportstätten, die einen Milliardenschaden
verursacht. Das Schul- und das Gesundheitswesen bleiben hingegen auf der Strecke. Wirtschaftlich und politisch muss sich einiges ändern, denn wir stecken in einer großen sozialen Krise. Übrigens: Viele Jugendliche, die sich den Protestzügen anschließen, haben auch am WJT teilgenommen.

Für welche Mannschaft wird Ihr Herz bei der Fußball-Weltmeisterschaft schlagen?

Das ist eine schwierige Frage. Am einfachsten wäre es zu sagen, der Beste soll gewinnen. Ich würde mir wünschen, dass entweder Deutschland oder Brasilien Weltmeister wird. Für diese beiden Mannschaften schlägt mein Herz. Wenn sie beide das Finale erreichen sollten, wünsche ich mir, dass der Bessere gewinnt und der eine ein guter Sieger und der andere ein guter Verlierer sein wird.

Zu den Schwerpunkten ihrer Arbeit als Bischof gehört es, die Würde der Menschen zu bewahren und den Regenwald zu erhalten. Können Sie auf diesen Gebieten Erfolge verzeichnen?

Für die Erhaltung des Regenwaldes brauche ich einen langen Atem. In einigen kleinen Dörfern können wir wahrscheinlich im nächsten Jahr mit der Wiederaufforstung von Regenwald-Gebieten beginnen. Solche Projekte benötigen einen sehr langen Vorlauf. Die Bewahrung der Würde des Menschen ist ein Thema, mit dem sich inzwischen alle über 600 Basisgemeinden in unserer Diözese beschäftigen. Zudem laufen einige kleinere Projekte unter dem Titel „Solidar-Ökonomie“, in denen Frauen in die Lage versetzt werden, durch Handarbeiten ein eigenes Einkommen zu erwirtschaften. Im Jugendprojekt unserer Diözese werden rund 220 Jugendliche betreut, die oftmals den ganzen Tag bei uns verbringen, um verschiedene Fertigkeiten zu erlernen. Das eröffnet ihnen neue Perspektiven und hält sie fern von Drogen, Kriminalität und Prostitution. Außerdem erlernen sie so, sich untereinander zu organisieren. Ferner haben wir den Bauernhof der Hoffnung gegründet. Das ist ein Therapiezentrum für Drogen- und Alkoholsüchtige Menschen. So sind wir stets dabei, Projekte zur Förderung der Menschenwürde weiter zu entwickeln. Das nächste Projekt wird eine kleine Landwirtschaftschule sein, die auch dazu dienen soll, den Menschen die Fähigkeit zu vermitteln, den Regenwald wieder aufzuforsten. Rückschläge musste ich auf diesem Gebiet bisher nicht hinnehmen – es braucht allerdings alles seine Zeit.

Wie steht es um die Ordensberufungen in Ihrer Diözese?

Zwar ist die Zahl der Ordens- und Priesterberufungen noch eher bescheiden, aber es ist ein ständiges Wachstum. Ohne die Ordensmänner, vor allem ohne die Franziskaner, Steyler Patres und Oblatenpatres, könnten wir die Seelsorge nicht garantieren. Die Arbeit der Ordensfrauen in unserer Diözese ist fundamental, denn sie setzen immer wieder spirituelle Impulse. Die Missionsschwestern von der Unbefleckten Empfängnis der Mutter Gottes etwa wirken sehr segensreich durch ihr Hospital in Alenquer. Unser Ziel ist, dass in allen acht Pfarreien und allen fünf Missionsgebieten unserer Diözese mindestens eine Ordensgemeinschaft präsent ist. Dafür liegen mir bereits Zusagen verschiedener Gemeinschaften vor. Die Ordensfrauen sollen in der Pastoral mitarbeiten, denn sie kommen oftmals dahin, wo Priester nicht hinkommen.

Für das Amazonasgebiet ist die Gründung einer katholischen Universität geplant. Was können Sie zum Stand der Dinge sagen?

Wir möchten in Amazonien die katholische Universität mit Sitz in Belém gründen, die mehrere Campusse haben wird – auch hier in Óbidos. Die Missionsschwestern haben hier eine Schule, die zur Zeit noch vom Bundesstaat Pará genutzt, die aber im kommenden Jahr freigegeben wird. Wir möchten in diesem Gebäude die Universität einrichten. Wir sind im Gespräch mit der Regierung, zunächst zwei oder drei Fachhochschul-Kurse einzurichten, die dann auch vom Staat anerkannt werden. Gleichzeitig hoffen wir, mit Hilfe der italienischen Bischofskonferenz die Finanzierung der Universität sicherstellen zu können. Das Ganze wird wahrscheinlich im kommenden Jahr starten können.

Sie leben seit 30 Jahren in Brasilien, vor fünf Jahren haben Sie die brasilianische Staatsbürgerschaft angenommen. Wie stark sind Ihre Kontakte noch in Ihre Heimat?

Meine Kontakte nach Deutschland sind sehr stark. Meine Mutter, meine Familie und sehr viele Freunde leben ja dort. Die Kontakte werden sogar immer intensiver, weil viele Menschen in Deutschland an unserer Diözese interessiert sind. Vor allem durch die Partnerschaft mit der Diözese Würzburg können wir die Kontakte mehr und mehr ausbauen.

Interview: Franz Jussen